
Hybride Arbeitsmodelle, Kostendruck, Klimaziele und der Fachkräftemangel zwingen Unternehmen jeder Größe zur Anpassung ihrer Büroflächen. Immer häufiger kommen dabei flexible Bürolösungen ins Spiel. Von Paul Allen
Der europäische Markt für flexible Bürolösungen erlebt derzeit einen Aufschwung. Das Arbeiten im Homeoffice und die coronabedingten Kontaktbeschränkungen hatten das Geschäft stark in Mitleidenschaft gezogen. Nun sorgt der Übergang zu hybriden Arbeitsmodellen für eine Wiederbelebung des Marktes.
„Die Pandemie hat am Büroimmobilienmarkt nachhaltige Spuren hinterlassen“, meint Emma Swinnerton, EMEA Head of Flexible Workspace bei Cushman & Wakefield. „In Großbritannien, dem in dieser Hinsicht am weitesten entwickelten Markt Europas, beträgt der Anteil der flexiblen Bürolösungen am Gesamtmarkt 6 Prozent und kann perspektivisch auf 20 bis 30 Prozent steigen.“
Das Interesse an flexiblen Lösungen nehme europaweit zu, so die Beobachtung von James Rankin, Head of Research and Insight bei The Instant Group. In Deutschland, wo Großunternehmen wegen veränderter Arbeitsmodelle, des Inflationsdrucks und drohender Rezession verstärkt auf flexible Bürolösungen setzen, ist die Nachfrage gegenüber dem Vorjahr um 47 Prozent gestiegen. Im Vereinigten Königreich lag der Anstieg immerhin bei 22 Prozent.
„Das Angebot muss um 40 Prozent wachsen, um der Nachfrage nach flexiblen, hochwertigen Büroflächen mit hohem Serviceniveau gerecht zu werden“, so Rankin. „Daher streben weltweit 74 Prozent der Flex-Office-Anbieter eine Erweiterung ihrer Flächen in den Innenstädten und auch in den Vorstädten an, während 64 Prozent der Vermieter flexible Lösungen anbieten wollen.“
In 15 europäischen Büroimmobilien aus dem Bestand von Union Investment sind derzeit Coworking-Anbieter präsent, zum Beispiel in Amsterdam, Kopenhagen, Manchester, Paris und Wien. Die vermietbare Fläche umfasst im Durchschnitt der Objekte 2.500 Quadratmeter, im Einzelfall liegt sie bei mehr als 8.000 Quadratmeter. Der größte Partner von Union Investment in diesem Marktsegment ist momentan Wework mit einer vermietbaren Fläche von 5.000 Quadratmetern im Grade-A-Bürogebäude 55 Colmore Row in Birmingham.
Nach Auffassung von Emma Swinnerton bietet die starke Marktdynamik sowohl den großen Betreibern als auch den vielen lokalen Anbietern reichlich Wachstumspotenzial.
Der Markt entwickelt sich laufend weiter. Immer mehr Mieter schätzen flexiblere Konditionen, skalierbare Flächen und mehr Annehmlichkeiten für die Mitarbeitenden.
Die richtige Lösung in Zeiten des Wandels
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig flexible Arbeitsmöglichkeiten sind. „Trotzdem spielt das Büro nach wie vor eine zentrale Rolle im Arbeitsleben, da es die Zusammenarbeit, den Wissensaustausch und den Teamgeist fördert, die Eingliederung neuer Mitarbeitenden erleichtert und zur körperlichen und geistigen Gesundheit der Belegschaft beiträgt“, erklärt Enrico Sanna, CEO von The Office Group (TOG), einem Workspace-Anbieter, der sich auf den britischen und deutschen Markt spezialisiert hat. „Die soziale Komponente ist heute wichtiger als je zuvor, denn neben der Möglichkeit, sich in Ruhe auf die eigene Arbeit zu konzentrieren, brauchen Menschen immer auch Räume für den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen“, so Sanna weiter.
„Mit flexiblen Bürolösungen können Unternehmen Risiken minimieren, die Betriebskosten senken und Fachkräfte an sich binden“, meint James Rankin. „90 Prozent der Arbeitnehmer wünschen sich flexible Arbeitsmodelle. Und 89 Prozent der Unternehmen, die dieser Forderung nachkommen, verzeichnen eine höhere Mitarbeiterbindung. Arbeitgeber machen sich somit fit für die Zukunft, wenn sie auf kürzere Mietverträge und andere flexible Arbeitsplatzlösungen setzen.“
Klassische Büroflächen gelten am Arbeitskräftemarkt als wenig innovativ. „Vor allem in der Tech- und Kreativbranche können Arbeitgeber mit flexiblen Bürolösungen ihre Attraktivität erhöhen“, so Emma Swinnerton.
Auch die Ökobilanz von Gebäuden spielt bei der Gewinnung von Arbeitskräften inzwischen eine Rolle. Das Black & White Building von TOG etwa ist das höchste Massivholz-Bürogebäude im Londoner Zentrum, wie Enrico Sanna erklärt: „Bei seiner Errichtung wurden im Vergleich zu einem Stahlbetonbau derselben Größe 37 Prozent weniger CO2 gebunden – für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen ein gewichtiges Argument.“
Zudem tragen flexible Plug-and-Play-Büroflächen zur Steigerung der betrieblichen Effizienz bei, stellt James Rankin fest: „Bei herkömmlichen Mietverhältnissen tauschen neue Mieter von Büroräumen häufig die vorhandene Innenausstattung wie Bodenbeläge und Beleuchtung aus, um sie an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Das entfällt bei flexiblen Bürolösungen.“
Mieter können sich mit flexiblen Modellen auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. „Sie können leichter neue Märkte erschließen und ihre Expansionspläne vorantreiben“, meint die Expertin von Cushman & Wakefield. Denn man braucht sich nicht auf lange Mietvertragslaufzeiten einzulassen und die Kosten bleiben überschaubar.
Flexible Nutzung durch vielfältigen Mieterbesatz
Diese Vorteile ziehen ein zunehmend breites Spektrum an Mietern an. Einer Studie der Immobilienberatung CBRE zufolge wurde der europäische Markt für flexible Bürolösungen 2022 vor allem von der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche beherrscht. Insbesondere Großunternehmen interessieren sich immer häufiger für flexible Modelle. Dazu James Rankin von The Instant Group: „Teilweise wird ein Rundum-Lösungspaket benötigt, bestehend aus langfristig angemieteten Flächen für die Unternehmenszentrale, komplett ausgestatteten Büroräumen an Schlüsselstandorten sowie zusätzlichen Flächen, die sich näher an den Wohnorten der Mitarbeitenden befinden.“
So hat beispielsweise Deloitte sein Innovationsteam im Wework-Objekt im Londoner Waterhouse Square untergebracht. Emma Swinnerton zieht folgendes Fazit: „Auch Banken setzen inzwischen flexible Bürolösungen ein. Dieser Trend war noch vor wenigen Jahren überhaupt nicht absehbar, dürfte sich aber fortsetzen.“
Vor allem in der Tech- und Kreativbranche können Arbeitgeber mit flexiblen Bürolösungen ihre Attraktivität erhöhen.
Renditechancen
Die europaweit steigende Nachfrage und das knappe Angebot führen zu steigenden Quadratmeterpreisen. Davon können Vermieter und Betreiber in Form eines tendenziell höheren Renditeniveaus profitieren, so James Rankin.
Laut dem UK Flexible Office Market Snapshot 2022 von Workthere stiegen die durchschnittlichen Kosten für einen Einzelbüro-Arbeitsplatz 2022 gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent auf 549 britische Pfund. In London legten die Kosten sogar um 27 Prozent auf 674 Pfund zu. Die durchschnittliche Mietlaufzeit stieg im selben Zeitraum um 4 Prozent auf 13,1 Monate. Die britischen Anbieter verzeichneten im Dezember 2022 eine Vermietungsquote von 90 Prozent gegenüber 71 Prozent im Dezember 2021. Aus dem jüngsten Future-of-Flex-Bericht von The Instant Group geht hervor, dass EMEA-weit annähernd 50 Prozent der Betreiber Vermietungsquoten von mehr als 80 Prozent aufweisen. Weiter heißt es im Bericht, die Unternehmen seien bereit, für flexible Bürolösungen, die zum Erreichen ihrer ESG-Ziele beitragen, 10 bis 15 Prozent höhere Mietpreise in Kauf zu nehmen.
Nach Ansicht von Emma Swinnerton besteht die große Herausforderung darin, den richtigen Marktzugang zu finden: „Entweder man erwirbt ein bestehendes Portfolio, baut ein eigenes Portfolio auf oder geht eine Partnerschaft mit einem Betreiber ein. Jeder Ansatz hat seine Vor- und Nachteile. Dabei sind flexible Bürolösungen für den Betreiber mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden, der nicht zu unterschätzen ist.“
Von Paul Allen