
Everybody’s Darling ist jetzt Everybody’s Challenge. Seit Pandemiebeginn absolvieren Hotelbetreiber, ihre Banken und die Verpächter einen Triathlon, um das Asset Hotel gemeinsam aus der Krise zu führen. Von Maria Pütz-Willems
Die Hotellerie hat sich bisher von jeder Krise erholt. Zuletzt in den Jahren 2009/2010: Nach dem Lehman-Crash, dem ein massiver Einbruch im Business-Reise- und Kongressgeschäft folgte, speckten die Betreiber ab, kappten Kosten bis zur Bottom Line, entließen teilweise massiv Mitarbeiter und hielten die übrigen mit Kurzarbeitergeld über Wasser.
Das Jahr 2020 war anders. Covid-19 zeigte sich viel aggressiver und vor allem unberechenbar, die Pandemie verändert nicht nur eine Branche, sondern komplette Strukturen. Und doch haben sich die Hotels in der Coronakrise als überraschend resilient erwiesen. „Einige Betreiber haben sich ein blaues Auge geholt. Die prognostizierten Insolvenzwellen sind aber ausgeblieben“, so Martin Schaller, Leiter Asset Management Hospitality bei Union Investment. Seine Folgerung: Die zu Beginn der Krise erwartete große Marktbereinigung im Corporate-Hotel-Segment findet nicht statt. „Im Gegenteil: Die Marktdurchdringung der Kettenhotellerie beschleunigt sich sogar.“
Das Grundprodukt Hotel habe kein strukturelles Problem, bestätigt Ascan Kókai, Head of Hotels bei ECE Real Estate Partners: „Die Krise hat das Tempo von andernfalls längerfristigen Veränderungen erhöht.“ Die Intensität der Pandemie zwingt jedoch zum Umdenken, hauptsächlich im Hotel-Development und bei den Konzepten von Business-Hotels. „Innovative Konzepte und finanzkräftige Pächter werden von der Erholung profitieren, sodass sich die Chance bietet, solide, langfristige Partnerschaften vertraglich zu sichern“, so Kókai.

Der Personalengpass trifft die Vollservice-Konzepte besonders hart und wird damit zur weiteren Veränderung im Hotelmarkt führen.
Mischformen lassen die Grenzen zwischen den Angeboten verschwimmen
Das Auge richtet sich also auf neue beziehungsweise angepasste Betreiberkonzepte. Und hier wird fleißig kombiniert. „Die Grenzen zwischen den Nutzungsformen werden noch fließender werden“, sagt Andreas Löcher, Leiter Investment Management Hospitality bei Union Investment, voraus.
An das Komfort-Level eines Serviced Apartments hat sich seit Corona so mancher Geschäftsreisende gewöhnt. Das Bett mit Kitchenette bietet mehr Privatsphäre als das Bett mit Restaurant. Bestehende Longstay-Marken werden also noch kreativer. Wenig Service- und Personalaufwand machten in der Krise resilient. Mehr Nachfrage, mehr Anbieter und mehr Konzepte allerdings erfordern „für die Auswahl des richtigen Standorts und Konzepts auch mehr Fingerspitzengefühl als zuvor“, betont Anett Gregorius, Geschäftsführerin von Apartmentservice Consulting.
Der Boom des Minisegments öffnet der deutlich größeren Hotelbranche weitere Expansionstüren. Sie dehnen seit letztem Herbst existierende Longstay-Marken aus, planen rigoros deren Verdoppelung, kreieren komplett neue Marken oder setzen gleich gruppenweit und global Statements, wie Accor es getan hat: Die Kette fügte allen Marken konsequent das Label „Living“ hinzu. Selbst die Budget-Kette Motel One hat Mitte Juli ihre ersten zwölf Serviced Apartments mit Kitchenette in ihrem neuen Haus in Hamburg-Fleetinsel vorgestellt.
Die zu Beginn der Krise erwartete große Marktbereinigung im Corporate-Hotel-Segment findet nicht statt. Im Gegenteil: Die Marktdurchdringung der Kettenhotellerie beschleunigt sich sogar.
Hospitality bewegt sich damit immer mehr auf Wohnen (Living) zu – und umgekehrt. Es entstehen neue Mischformen: Homeoffice im Hotel, Coworking im Hotel, Coliving im Hotel, Living Hospitality (Wohn-Assets mit Hotel-Touch), Senior Living (Residenzen mit Hospitality-Lifestyle für Silver Ager) oder gar Health-Care-Einrichtungen mit Hospitality-Charme.
Diese Trends haben das Potenzial, in der konservativ-klassischen Hotellerie einen Strukturwandel herbeizuführen – auch wenn Martin Schaffer, Managing Partner bei MRP hotel, warnt: „Es ist eigentlich wie vor Corona: Alle jagen den gleichen Nischen nach, in der gleichen Copy-Paste-Mentalität.“ Das jedoch könnte ein scharfer Blick der Banken verhindern. Finanzierer schauen bei Investoren und Betreibern jetzt viel genauer hin und sind deutlich selektiver in der Hotelförderung geworden. So jedenfalls lassen sich die Antworten von Deutsche Hypo, DZ Hyp und Bayern LB zusammenfassen. Nuancen machen unterdessen den Unterschied.

Der Bankensektor ist in der Pandemie vorsichtiger geworden
Uwe Niemann, Leiter Markt Hotelfinanzierungen Deutsche Hypo: „Wir wissen, dass Hotelbetreiber es in dieser Situation schwer haben, die erforderliche gute Bonität nachzuweisen, wir nehmen daher ersatzweise den Investor in Haftung: Er muss die Bedienung des Kapitaldienstes sicherstellen.“ Grundsätzlich keine Hotels mehr – das hat die Immobilienbank DZ Hyp in der Pandemie als Motto ausgegeben, beobachtet die Branche aber weiter. Ihr Kreditvolumen für Hotels beträgt bisher rund 3 Milliarden Euro. „Da bei Hotel-Assets das laufende Reporting des Betreibers einen Einblick in das Geschäftsmodell zulässt, kann eine deutlich transparentere Risikoeinschätzung vorgenommen werden. Bisher führte das dazu, dass Hotels nicht risikoreicher als andere Assetklassen sind“, versöhnt Uwe Barth, Leiter Kreditrisikomanagement Firmenkunden Immobilienzentrum Frankfurt.
Die Bayern LB hält sich an kapitalstarke Betreiber, die ihre Performancezahlen offenlegen, und prüft, wer wie seine KfW-Kredite abbezahlt. Die Bank analysiert die Pachtverträge etablierter wie junger Betreiber und beobachtet die neuen Tech-getriebenen Betreiber wie Limehome oder Numa (ex-Cosi), hinter denen große Venture Capitalists stehen. Letzteres sowie deren personal- und kontaktlose Konzepte – die ihren Hospitality-Anspruch erst noch beweisen müssen – zaubern allerdings ein ROI-Lächeln auf die Gesichter von Investoren und Banken.
Investoren haben Pläne, Projekte und Investments weiterhin im Blick
Peter Ebertz, Partner beim Investor und Fondsinitiator Art-Invest Köln, denkt nicht in Kategorien, lieber in Opportunitäten. „Standorte für uns müssen unique sein und von diversifizierter Nachfrage leben“, sagt er und nennt als Beispiel das durch Ghotel betriebene Moxy Hotel am Flughafen Köln/Bonn, der sowohl Passagier- als auch Cargoverkehr anbietet und somit krisenresistenter ist. Überzeugt haben dort vor allem die Lage des Hotels mit direkter Anbindung zum Terminal 1 und eine Dachterrasse mit Blick aufs Rollfeld.
Hotelketten wie Einzelhotels verloren nach der langen Lockdown-Serie rund ein Drittel ihrer Mitarbeiter, stellte sich in diesem Sommer heraus. „Slim- oder Smart-Konzepte sind deshalb noch mehr angesagt als vor der Krise“, sagt Reiner Nittka, CEO von GBI. „Der Personalengpass trifft die Vollservice-Konzepte besonders hart und wird damit zur weiteren Veränderung im Hotelmarkt führen“, sagt er. „Und für die Finanzierung gilt: Cash is King.“
Reiner Nittka legt nach: GBI werde wie Union Investment weiter stark auf Longstay-Produkte setzen, unter denen ihre eigenen Smartments die klassischen Hotels weit zurücklassen: Im Lockdown waren diese nach Angaben von STR zu 25 bis 45 Prozent ausgelastet, Hotels nur zu 10 bis 15 Prozent. Doch auch GBI prüft Betreiber nun schärfer, fordert erst recht Absicherungen und Garantien durch sie oder die Muttergesellschaften ebenso wie eine erhöhte Pacht-Abdeckungsquote (heute eher 2,0 als 1,5 bisher). Peter Ebertz hakt auch hier ein: Der Hype im Serviced-Apartment-Segment werde sich abkühlen. „Die Reisenden wollen sich nach der Pandemie doch nicht mehr im Zimmer verstecken, sondern die Gastronomie um die Ecke und das Leben auf den Straßen genießen.“ Und er fügt hinzu: „Der Engpass im künftigen Development wird die Finanzierung bleiben.“ Mittelgroße und kleinere Gruppen ohne finanzstarkes Rückgrat werden es damit schwer oder schwerer haben, nach altem Muster zu expandieren.
Innovative Konzepte und finanzkräftige Pächter werden von der Erholung profitieren, sodass sich die Chance bietet, solide, langfristige Partnerschaften vertraglich zu sichern.
Spezialisierte Anbieter können Mixed-Use-Flächen gemeinsam bespielen
Auch Christoph Cellarius, Gruppenleiter Projektentwicklung beim Entwickler Groß & Partner, sieht, dass sich Longstay-Formate in der Pandemie besser geschlagen haben, wodurch er erwartet, dass sich Betreiber generell „zukunftsweisend differenzieren“, konkret durch flexible Raumgrößen, hohe Nutzungselastizität, New Work und eine starke Positionierung. Das ist Art-Invest noch nicht genug. Nachdem der eigene Hotel-Manage-to-Core-Fonds das Hamburger Sofitel-Hotel Alter Wall gekauft hat, wird dessen Konzept komplett gedreht: Dazu wird der Konferenzbereich abgerissen und auf dem großen Vorplatz entsteht ein weiteres Gebäude – Teil eines kompakten Mixed-Use-Developments.
Ein weiterer Trend, den auch Martin Schaller von Union Investment beobachtet: „Die Frage wird sein, welchen Beitrag ein Hotel für ein funktionierendes Mixed-Use-Ensemble oder Quartier leisten kann.“ Er erwartet, dass sich spezialisierte Anbieter und Betreiber in zunehmendem Maße zusammentun und Flächen gemeinsam bespielen werden.
Keine Glaskugel gibt Einblick in die Erfolgsaussichten dieser unterschiedlichen Ansätze. Für Cellarius stellt sich deshalb auch die Frage, „ob und wo der Run auf das Betongold und damit verbundene Ticketgrößen für Investoren noch in einem nachhaltig stabilen Verhältnis zu der Nachfrage stehen und wo man sich an der Sättigungsgrenze befindet“.
Von Maria Pütz-Willems