Markt honoriert Aufwand

Während sich auf dem Investmentmarkt sonst wenig bewegt, steigt das Interesse an der Aufwertung des Bestands. Längst ist es mehr als eine Hoffnung: Was dort heute investiert wird, zahlt sich morgen aus. Von Christine Mattauch

Energieautark, zirkulär und im Betrieb klimaneutral: Was grüne Ziele angeht, ist das Projekt Behrens-Ufer schwer zu übertreffen. Rund 235.000 Quadratmeter gewerbliche Mietfläche schafft das Unternehmen Dieag auf dem ehemaligen Industrieareal in Berlin-Oberschöneweide – und freut sich über hohes Mieterinteresse dank ganzheitlichen ESG-Konzepts. 


„Wirtschaftlicher Erfolg und Nachhaltigkeit gehen bei dem Projekt Hand in Hand“, sagt Geschäftsführer Felix Gold. Dabei sollte das rund 1,1-Milliarden-­Euro-Investment zunächst ein konventioneller Bürostandort werden. Nach der Über­nahme plante Dieag jedoch neu, auch auf Wunsch der Investoren hin. 


Investitionen in den Bestand bekommen eine neue Bedeutung

So schwierig derzeit die Lage auf dem Immobilienmarkt, so gut die Perspektiven für Bestandsinvestitionen mit überzeugendem Nachhaltigkeitskonzept. „Die Frage nach CO2-Bilanz und Zirkularität wird für die Immobilienbranche immer wichtiger“, sagt Pamela Villanueva, Head of ESG Germany bei CBRE. Gerade große, bonitätsstarke Mieter fordern Energie- und Klimafreundlichkeit ein, auch mit Blick auf die Anwerbung von Talenten. Viele Investoren wiederum wollen ihre Portfolios im Vorgriff auf künftige Regulierungen möglichst resilient gestalten. 


„Risikominimierung ist für die Branche ein zentrales Thema“, sagt Hermann Horster, Head of Sustainability von BNP Paribas Real Estate. Union Investment verfolgt wiederum einen ganzheitlichen Ansatz: „Als Treuhänder sind wir dafür verantwortlich, dass sich Nachhaltigkeit und Investitionen in den Bestand für unsere Anleger rechnen. Wenn wir einen Transformationsprozess aber richtig machen, dann kommt für alle Seiten etwas Positives dabei heraus. Zum einen mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Zum anderen in puncto Rendite. Und auch das urbane Umfeld kann davon profitieren“, sagt Henrike Waldburg, Geschäftsführerin der Union Investment Real Estate GmbH. Der Vermögensverwalter Pimco sieht den Büroimmobilienmarkt vor einer Dreiteilung: „Gut vermietete Gebäude mit niedrigem CO2-Abdruck, ansprechender Ausstattung und attraktiver Lage werden überleben. Wir sehen auch Chancen in ‚Brown-to-green‘-Investments, während Anlagen schlechter Qualität obsolet werden und ihren Eigentümern hohe Verluste bescheren.“


Wenn wir einen Transformationsprozess richtig machen, dann kommt für alle Seiten etwas Positives dabei heraus: Nachhaltigkeit, Rendite und auch das urbane Umfeld ist Profiteur.
Henrike Waldburg Geschäftsführerin Union Investment Real Estate GmbH

Zurück zum Behrens-Ufer, kurz BE-U. Altbauten, die ein Drittel der Mietflächen ausmachen, werden unter Einhaltung des DGNB-Gold-Standards aufwendig saniert, Neubauten erreichen Platin. Tiefengeothermie und Fotovoltaik sind ebenso eingeplant wie Regenwasserspeicherung und Vertical Farming; Gastronomie, frei zugängliche Grünflächen und Kindergärten oder Schulen sollen auch dem „S“ im ESG gerecht werden. Felix Gold: „Unser Ziel ist ein lebendiges grünes Quartier, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt.“ Mit Mieten von bis zu 23 Euro im Altbau und 24 Euro aufwärts im Neubau liege das Behrens-Ufer im durchschnittlichen Bereich des Berliner Mietniveaus, sagt Felix Gold: „Vor allem im Bereich Life­sciences entwickeln wir die Flächen nach den Anforderungen unserer Kunden.“ Ein renommierter Ankermieter für mehr als 12.500 Quadratmeter ist bereits gewonnen. Schon jetzt kann sich der Entwickler vorstellen, BE-U als Marke international auszurollen: „Das Konzept hat beste Chancen, sich durchzusetzen.“


Höhere Renditen und bessere Bewertungen anstelle von Stranded Assets

Wie sehr der Markt Nachhaltigkeit honoriert, zeigt die seit Jahren wachsende Nachfrage nach zertifizierten Büroimmobilien. Laut einer im Juli veröffentlichten Studie von CBRE erwirtschaften sie gegenüber herkömmlichen Objekten um 6 bis 8 Prozent höhere Mieten und werden bei Transaktionen um 14 bis 16 Prozent höher bewertet. Ein Drittel der dort befragten europäischen Investoren wollte für ESG-Konformität sogar einen Preisaufschlag von bis zu 20 Prozent akzeptieren. Seit Bürogebäude mit schlechter Energiebilanz in den Niederlanden nicht neu vermietet werden dürfen und in Frankreich für sie ein Stufenkonzept gilt, steigt der Druck aufs Asset Management. „Versuchen Sie mal, einen Termin für ein Energie-Audit zu kriegen“, sagt Sustainability-Experte Horster. „Es geht überall in die gleiche Richtung.“ Für Value-Add-­Spezialisten biete die Situation aber auch Chancen, sagt seine Kollegin Villanueva: „Sie bekommen Immobilien zu einem vernünftigen Preis.“


Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus

Was Aufwertung unter ESG-Gesichtspunkten kann, zeigt das WestendCarré in Frankfurt am Main, ein 1989 fertiggestellter Bürokomplex, von dem die französische Investmentgesellschaft Ardian vor zwei Jahren rund 31.000 Quadratmeter erwarb. „Abriss und Neubau waren nie eine Option“, sagt Bernd Haggenmüller, Senior Managing Director Real Estate. Der Komplex wird konsequent so saniert, dass er die Ansprüche der Mieter an Nachhaltigkeit erfüllt – und zugleich die der Investoren an Rentabilität. „Das ist die Kunst, die wir betreiben: Objekte identifizieren, mit denen wir durch grüne Maßnahmen dem Pariser Klimaziel nahekommen und zugleich eine Überrendite erzielen“, sagt Haggenmüller. 


Grüne Wertschöpfung als Verhältnis von Mehraufwand zu Mehrertrag

Beim WestendCarré wird durch Erneuerung der kompletten Haustechnik und Anschluss ans Fernwärmenetz der Energiebedarf mehr als halbiert und die Klimabilanz deutlich verbessert. Die Aufenthaltsqualität steigt durch eine Dach­terrasse und grüne Innenhöfe. Klar ist aber auch: Die Maßnahmen müssen sich auch ökonomisch lohnen. Ein effizienzsteigernder Fassadenaustausch etwa wäre aus Sicht Haggenmüllers unverhältnismäßig. Das Steigerungspotenzial grüner Investitionen für den Mietertrag schätzt Haggenmüller auf 10 bis 15 Prozent. „Ein ähnliches Phänomen erwarten wir auf den Investmentmärkten. Das, was wir als Endprodukt schaffen, wird stark nachgefragt sein, weil die Bestandshalter ihre Portfolios umbauen.“ Bei einem Bürohaus in Mailand hat Ardian das Verhältnis von Mehraufwand und -ertrag einer nachhaltigen Sanierung beispielhaft durchgerechnet: Die „grüne Wertschöpfung“ lag bei 2.250 Euro pro Quadratmeter.


Zunehmend wird die CO2-Bilanz von Beständen auch in die Evaluierung von Portfolios einbezogen. Der kanadische Investor Ivanhoé Cambridge etwa, der Immobilienvermögen von umgerechnet knapp 60 Milliarden US-Dollar verwaltet, kündigte jetzt die Einführung eines „Green IRR“ an: Von diesem Herbst an werden Bestandsimmobilien und mögliche neue Investments je nach CO2-Performance mit einem Green Premium oder Brown Discount bewertet. 


Robert-Christian Gierth hat die Entwicklung früh gesehen: 2019 gründete er den auf nachhaltige Projekte spezialisierten Developer Assiduus. Derzeit entsteht in zentraler Berliner Lage der Zillecampus mit knapp 14.000 Quadratmeter Büroraum: Energieautark durch Geothermie und Fotovoltaik, Deckensegel regulieren die Temperatur. Ein Drittel der Fläche ist revitalisierter Bestand. Der Neubau wird aus zirkulären Baustoffen errichtet, mit Wänden aus Holz oder Stroh und Teppichboden aus recycelten Fasern. 


Angebot trifft auf Nutzer mit klar definierter Nachhaltigkeitsstrategie

„ESG zum Anfassen“ nennt Gierth das Konzept, für das sich, wie er sagt, Nutzer mit klar definierter Nachhaltigkeitsstrategie interessieren – und Investoren, denen gefällt, dass der Zillecampus die Anforderungen der Taxonomie übererfüllt. Dank eines spezialisierten Teams sei im Vergleich zu einem konventionellen Projekt kaum Mehraufwand entstanden: „Wir haben mehr Geld in die Planung investiert, aber der Bau selbst ist nicht teurer.“ Assiduus vermarktet die Flächen in einer Spanne von 34,50 bis 38 Euro pro Quadratmeter, das ist standortkonform. „Es macht überhaupt keinen Sinn, anders zu bauen als nachhaltig“, findet Gierth.


Von Christine Mattauch


Titelbild: DIEfabrik GmbH & Peter Rüssmann for DIEAG

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