
„Unsere Immobilienfonds sind gut aufgestellt“
Carsten Thiel, Leiter Fondsmanagement Offene Immobilien-Publikumsfonds bei Union Investment, über die Chancen der Assetklasse in herausfordernden Zeiten. Interview von Christian Hunziker, Fotos von Patrick Ohligschläger
Herr Thiel, wie wirkt sich die Zinswende auf die Offenen Immobilienfonds aus?
Für Fondsmanager sind steigende Zinsen ein ganz normaler zyklischer Effekt, den wir allerdings lange nicht erlebt haben. Die Zinswende führt zur Herausbildung eines neuen Marktniveaus. Denn aufgrund der steigenden Finanzierungskosten hat sich die Nachfrage nach Immobilien deutlich reduziert und Eigenkapitalinvestoren fordern eine höhere Anfangsrendite, was zu fallenden Kaufpreisen führt. Erst wenn sich das Zinsniveau stabilisiert hat, ist mit einer Belebung der Transaktionsmärkte zu rechnen.

Sehen Sie Veränderungen bei den Mittelzuflüssen Ihrer Offenen Fonds?
Den Publikumsfonds fließen tatsächlich weniger Mittel zu als vor der Zinswende. Wir verzeichnen jedoch weiterhin einen positiven Nettomittelabsatz. Wir stellen uns für die nächsten zwölf Monate auf einen stärkeren Wettbewerb mit zinstragenden Produkten ein, die aktuell eine höhere Performance erreichen und ein kurzfristig ähnliches Risikoprofil haben.
Von Vorteil ist in der derzeitigen Phase, dass wir in den Publikumsfonds ein relativ hohes Sparplanvolumen haben. Außerdem haben wir von der Kontingentierung auf ein Ampelsystem umgestellt. Damit sind alle unsere Produkte gleichzeitig für die Anleger geöffnet.
Und wie sieht der Mittelzufluss speziell beim institutionellen Kapital aus?
Im institutionellen Bereich ist es im Moment besonders herausfordernd, frisches Kapital für die Offenen Immobilienfonds zu gewinnen. Hohes Investoreninteresse lässt sich bei Club Deals beobachten, die in neue Projekte investieren, während sich die Bestandsfonds in dieser Phase etwas schwerer tun.
Wollen Anleger umschichten und wie beurteilen Sie die Rückgabebegehren?
Bei den institutionellen Publikumsfonds gibt es Kunden, die ihr Geld mit einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist abziehen wollen. Das können wir aber sehr gut steuern, da unsere institutionellen Publikumsfonds über eine breite Kundenbasis verfügen und beispielsweise viele genossenschaftliche Banken zu ihren Investoren zählen. Grundsätzlich sind sich unsere Investoren bewusst, dass ein Offener Immobilienfonds ein mittel- bis langfristiges Investment ist, mit einer relativ geringen Liquiditätsquote gemanagt wird und deshalb in der Fungibilität eingeschränkt ist.
Haben sich die Mindesthaltedauer und die Kündigungsfrist bewährt?
Der Regulator hat mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) vor zehn Jahren genau das richtige Instrumentarium bereitgestellt. Dadurch ist es gelungen, die Liquiditätsinkongruenz zu entzerren und die Planbarkeit von Rückgaben zu erhöhen. Der Anteil unserer Altanleger, die vor Inkrafttreten des KAGB im Jahr 2013 investiert haben, liegt bei 20 bis 25 Prozent. 75 bis 80 Prozent der Anlagen fallen also unter die neuen Regelungen, was hohe Stabilität in die Fonds bringt. Eine kluge Entscheidung war aber auch, dass wir bei den Offenen Immobilienfonds frühzeitig eine Trennung zwischen privatem und institutionellem Kapital vorgenommen haben, indem wir 2004 den UniInstitutional European Real Estate aufgelegt haben.
Wenn sich die Marktteilnehmer wieder auf ein Preisgefüge verständigt haben, werden wir interessante Ankaufsmöglichkeiten sehen.
Erwarten Sie jetzt eine Neubewertung Ihrer Fondsimmobilien?
Wir sehen keine Gründe für größere Bewertungsanpassungen. Das gesplittete Ertragswertverfahren, das wir anwenden, reagiert eher langsam auf Veränderungen am Markt. Dabei gibt es zwei Seiten: den Rohertrag, also die Ertragsseite, und den Liegenschaftszins, der von Sachverständigen angesetzt wird. Von der Ertragsseite her haben wir ein stabiles Umfeld, da wir einen sehr geringen Leerstand, im Bestand positiv wirkende Mietsicherungsklauseln und keinen Druck auf die Mieten haben. Dadurch können wir die höheren Kapitalisierungszinsen weitgehend kompensieren.
Welche Herausforderungen sehen Sie im Bürosektor, vor allem in den USA?
Wir stellen weiterhin eine große Nachfrage nach unseren Büroflächen fest. Dabei kommt uns zugute, dass sich unsere Objekte in guten und sehr guten Lagen befinden. Wir halten unsere Bestände attraktiv, indem wir den Nutzern über neue Flächenkonzepte und nachhaltige Flächenstrukturen gute Angebote machen. Was das Portfolio in den USA angeht, so trifft es zu, dass dort die Nachfrage nachgelassen hat. Dieser Herausforderung begegnen wir mit einem professionellen Asset Management. Außerdem haben wir in den USA unser Portfolio breiter aufgestellt, indem wir Investitionen in den Segmenten Multifamily, lebensmittelgeankerter Einzelhandel und Hotel getätigt haben.
Das gilt übrigens für alle Märkte: Aktives Asset Management, Fokus auf den Bestand und Transformation von Immobilien gewinnen ebenso an Bedeutung wie die Bespielung neuer Assetklassen, beispielsweise Logistik, Ferienhotels und europäische Wohnimmobilien. Diese Kalibrierung unserer Investitionsstrategie erhöht die Stabilität unserer Fonds weiter.

Rechnen Sie mit baldigen Chancen auf der Ankaufsseite?
Wenn sich die Marktteilnehmer wieder auf ein Preisgefüge verständigt haben, dann werden wir interessante Ankaufsmöglichkeiten sehen. Wir schauen uns nach wie vor Transaktionen an und prüfen, ob das neue Preisniveau schon erreicht ist. Im Zweifel verzichten wir aber besser auf den einen oder anderen Deal. Voraussichtlich etwa Mitte 2024 dürften wir wieder funktionierende Märkte haben.

Sind Ihre Fonds auch heute noch eine gute Anlagemöglichkeit?
Durch eine Teilfreistellung nach Steuern ist der Offene Immobilienfonds auf der Renditeseite durchaus in Schlagdistanz zu den derzeit starken zinstragenden Produkten. Hinzu kommt: Offene Immobilienfonds haben sich auch in allen Krisen sehr gut geschlagen. Sie sind der Fels in der Brandung, da sie eine geringe Korrelation zum Kapitalmarkt und eine niedrige Volatilität aufweisen. Sie trotzen Inflation und Marktschwankungen, bieten stetige Ausschüttungen und sind damit seit Jahrzehnten eine stabile Sachwertsäule in privaten und institutionellen Portfolios.
Interview von Christian Hunziker, Fotos von Patrick Ohligschläger